Warum ist das Zivilschutzkonzept wichtig?
Es ist einfach längst überfällig, das Konzept. Das letzte ist über 20 Jahre alt, da war der kalte Krieg gerade zu Ende – und das Internet, das steckte damals noch in den Kinderschuhen. Ganz andere Voraussetzungen also damals.
Ich habe es immer für einen Fehler gehalten, den Zivilschutz- und damit auch Teile des Katastrophenschutzes so drastisch zurückzufahren. Friedens-Dividende, nannte man das. Schon richtig: Atom-Bunker, die hatten ausgedient – keine Frage. Aber Gerät und Experten zum Beispiel für Atomare, Biologische und Chemische Gefahren, die sogenannten ABC-Züge breitflächig einzumotten oder vielerorts die Sirenen abzubauen, das waren einfach riesige Fehler, die heute schwer wieder umzukehren sind.
Schauen wir uns die jüngsten Versuche an, mit Handy-Apps die Bevölkerung warnen zu wollen: Erstens gibt es unterschiedliche Systeme, NINA zum Beispiel und KatWarn – aber nicht jeder relevante Krisenstab der Länder oder die großen Polizeien und Feuerwehren sind an beiden Apps beteilig.
Ja, und das zweite Problem: die Infrastruktur. Wer sagt mir denn, dass bei einem Stromausfall oder einem Hackerangriff die Handys noch flächendeckend funktionieren? Ich erinnere mich an Hochwasserlagen an der Elbe, da funktionierte an manchen Orten nichts mehr. Und selbst wenn es funktioniert: hat jeder die App wirklich installiert? Und wird auch jeder davon nachts wach, wenn das Handy stumm geschaltet ist.
Da ist mir persönlich die klassische Sirene lieber. Die heult, ich werde aufmerksam, schließe Türen und Fenster und schalte das Radio ein. Fertig.
Panikmache – was halten Sie von der Kritik?
Der Zivil- und Katastrophenschutz ist nun einmal dafür da, auf alle erdenklichen Eventualitäten vorbereitet zu sein. Die deutsche Luftwaffe zum Beispiel übt ja über Deutschland auch den Luftkrieg gegen andere Länder, obwohl das unwahrscheinlich ist. Deshalb hat ja jetzt nicht jeder gleich Angst, dass hier sofort Krieg ausbricht.
So üben Zivil- und Katastrophenschutz zum Beispiel regelmäßig auch Szenarien, die die Öffentlichkeit durchaus verunsichern können. Als ich selber noch aktiv dabei war, in Stäben saß und so weiter, habe ich oft gesagt, nun übertreibt’s mal nicht. Da gab es ganz groteske Kombinationen aus möglichen Szenarien. Unrealistisch, habe ich immer gesagt.
Dann kam Japan 2011: ein schweres Erdbeben – Häuser stürzen ein, ein riesengroßer Tsunami, der die Küste weitreichend zerstört – und dann noch der Super-GAU in Fukushima. Wäre mir das damals in einer Übung begegnet, hätte ich gelacht. Heute tu ich’s nicht mehr und ich kann nur sagen: Alle hoffen natürlich, dass nichts passiert – aber wenn etwas passiert und die Politik hat es vorher nicht irgendwann einmal durchgespielt, dann wäre der Aufschrei noch viel größer. Und auch berechtigt.
Schauen Sie sich die Debatte um die sogenannten Hamsterkäufe an: Da steht absolut nichts Neues drin im Konzept, alles alte und relevante Vorschläge. Keine Anordnungen oder so. Es ist am Ende jedem selbst überlassen, wie viel Wasser er im Keller stehen hat. Ich kann nur sagen – als Familienvater: Wenn mal wieder die Grippe-Welle durchzieht und die ganze Familie tagelang im Bett liegt, dann bin ich echt froh über mein Wasser und die Konserven im Keller. Es muss ja nicht immer die große Katastrophe sein – und andersherum auch nicht gleich das Notstromaggregat im Keller.
Ist das Konzept weitreichend genug?
Nach allem, was ich von dem Konzept kenne – ich habe es noch nicht komplett lesen können -, sind viele wichtige Punkte angesprochen. Was mir fehlt ist eine Neuordnung, zumindest eine Vereinfachung. In Deutschland gibt es eine strikte Trennung von Zivilschutz im Verteidigungsfall und dem Katastrophenschutz bei allen anderen Lagen. Für den Zivilschutz ist der Bund zuständig, mit dem THW zum Beispiel. Für den Katastrophenschutz sind es dann die Länder. Die können das THW oder auch die Bundeswehr um Hilfe bitten, um Amtshilfe. Das ist für viele aber einfach inzwischen nicht mehr nachvollziehbar.
Den Rettungshunden und den Bergungshelfern ist es nämlich egal, warum das Haus eingestürzt ist. Ob es eine Fliegerbombe war, eine Gasexplosion, ein Terroranschlag oder schlicht eine U-Bahn-Baustelle. Soll es ja auch geben. Sie helfen, suchen, retten Verletzte. Doch was im Hintergrund passiert ist oft ziemlich kompliziert. Auch dann, wenn es darum geht, dass sich einzelne Landkreise oder sogar die Bundesländer nicht einig sind.
Ich stand selbst schon in sogenannten Bereitstellungsräumen, weil der Landrat uns nicht weglassen wollte, obwohl es beim Deich des Nachbarkreises langsam brenzlich wurde. Seit gut zehn Jahren versucht das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn besser zu koordinieren, kann aber nur Angebote machen, ist zahnlos, weil der Bund ja formal nur im Verteidigungsfall das Sagen hat. Hier würde ich mir mehr wünschen, hier wird am Ende auch der Bundestag gefragt sein, der das Konzept ja vor ein paar Jahren in Auftrag gegeben hat.